Kurzglossar zu Ungleichheitsideologien
Seien es homophobe und rassistische Vorkommnisse auf dem Fußballplatz, Hänseleien über die Hautfarbe auf dem Schulhof oder die Stimmungsmache gegen Sinti und Roma: Wenn Personen aufgrund ihrer zugewiesenen oder gewählten Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig angesehen werden und der feindseligen Abwertung und Ausgrenzung ausgesetzt sind, sprechen wir von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist gesellschaftsimmanent und spiegelt ein breites Meinungsmuster in der deutschen Bevölkerung wider. Studien wie die der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (Heitmeyer) zeigen das Ausmaß von fremdenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen, islamophoben, homophoben, sexistischen Einstellungen und Orientierungen in der Gesellschaft. So erschreckend offen wie rechte Ideologiefragmente in rechten Milieus zutage treten, so versteckt und codiert sind sie oft in den Übergängen und Grauzonen und in der „Mitte der Gesellschaft“ zu finden – auch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Zu einigen Ungleichheitsideologien bieten wir Kurzfilme zum download an, die in der Bildungsarbeit eingesetzt werden können.
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Ableism (Behindertenfeindlichkeit)
Ableism (Behindertenfeindlichkeit)
Behindertenfeindlichkeit umfasst eine kulturelle Tradition von negativen Stereotypen und Zuschreibungen gegenüber Menschen, die als behindert kategorisiert sind. Der englische Begriff Ableism (able: fähig) präzisiert, dass das Verständnis dessen, was „Behinderung“ ist, von den Vorgaben einer gesellschaftlichen (Leistungs-)Norm bestimmt ist. Behinderung gilt als „minderwertiger“ Zustand des Menschen aufgrund dessen als mangelhaft empfundener Leistungsfähigkeit, angeblicher Unselbstständigkeit und Beanspruchung von Fürsorge (Sozialchauvinismus). Daraus erwächst die Forderung und Praxis nach deren Ausschluss, Entmündigung, Separierung und der Reduzierung der Fürsorge. Während des Nationalsozialismus wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlassen. Es kam zu Zwangssterilisierungen und Tötungen von Menschen, die aufgrund ihrer Einschränkungen nicht dem Menschenbild der Nationalsozialist*innen, v.a. deren Kriterien von Leistung und „Nützlichkeit“, entsprachen.
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Antimuslimischer Rassismus
Antimuslimischer Rassismus
Antimuslimischen Rassismus ist eine Form des Rassismus, die auf die Abwertung von (vermeintlichen) Muslim*innen und des Islam zielt. Er basiert auf der Gegensatz-Konstruktion von Orient und westlicher Welt, Christentum versus Islam und bedient sich hierzu kolonialer und nazistischer Denkfiguren. Im Verhältnis zur konstruierten Eigengruppe wird die „muslimische Fremdgruppe“ als weniger zivilisiert diskreditiert. Gegenwärtig wird behauptet, die „eigene“ (christliche) Kultur werde von einer islamischen überfremdet, es finde eine „Invasion“ statt, der mit einer „Reconquista“ (Rückeroberung) begegnet werden müsse. Im antimuslimischen Rassismus geschieht die Gleichsetzung von islamistischem Terrorismus mit dem Islam und Menschen aus islamisch geprägten Ländern. Zu diesen werden Menschen mit türkischer und arabischer Migrationsgeschichte subsummiert. Gesellschaftliche und politische Partizipation soll diesen vorgeblich nur bei Assimilation, Unterwerfung und Aufgabe jeder „Besonderheit“ möglich sein.
Rassismus from ASP e.V. on Vimeo.
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Antisemitismus
Antisemitismus
Antisemitismus umfasst die Gesamtheit judenfeindlicher Stereotype und Zuschreibungen. So werden zum Beispiel bedrohlich empfundene gesellschaftliche Umbrüche und Krisen mit Verschwörungstheorien erklärt, die Verantwortung dafür den Jüd*innen angelastet. In dieser Logik werden sie als überaus mächtig und feindselig beschrieben. Ausgang der Ablehnung von Menschen jüdischen Glaubens war die christlich motivierte Judenfeindschaft des 1. Jahrhunderts, aus dieser Zeit stammt das klassische Motiv des „rachsüchtigen Juden“. Im Zeitalter der Moderne wurden Jüd*innen für Kapitalismus und Sozialismus verantwortlich gemacht, zugleich wurden sie mit rassetheoretischen Konstruktionen als „minderwertig“ konzipiert. Das lieferte die Grundlage für die Shoah (Holocaust). Gegenwärtig findet sich Antisemitismus häufig in verkürzter Kapitalismuskritik, in Globalisierungsfeindschaft, in Weltverschwörungstheorien sowie in sekundärem Antisemitismus: Pauschalkritik am Staat Israel und der Abwehr historischer Verantwortung für den Holocaust.
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Antiziganismus
Antiziganismus
Mit „Antiziganismus“ sind Stereotypisierungen und Zuschreibungen gegenüber Roma und Sinti gemeint. Gängige stereotype Zuschreibungen über Sinti und Roma sind, dass diese heimatlos, kriminell, arbeitsscheu und dreckig seien. Antiziganismus existiert bereits seit dem späten Mittelalter, dabei war/ist dieser unterschiedlich (etwa sozial und rassistisch) motiviert. Der Höhepunkt der Verfolgung war die Porrajmos (auf Deutsch „Verschlingen“), der Genozid an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus. Der Begriff „Antiziganismus“ ist in der wissenschaftlichen Forschung Anfang der 1980er Jahre in Deutschland entstanden, allerdings ist der Begriff umstritten. Unter anderem weil er auf die Bezeichnung „Zigeuner“ (Ziganismus) zurückgeht und dies eine diskriminierende Fremdbezeichnung ist, die von den einigen Angehörigen der betroffenen Gruppen als beleidigend empfunden wird. Auch heute sind Sinti und Roma vielfach rassistischer, sozialer und struktureller Ausgrenzung ausgesetzt.
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Biologismus
Biologismus
Biologismus ist die Ideologie, die menschliche Denkmuster und Verhaltensweisen sowie gesellschaftliche Zusammenhänge nicht als soziale Prozesse begreift, sondern versucht, diese biologisch zu erklären. Die biologistische Argumentation dient den Versuchen der wissenschaftlichen Legitimierung von Ungleichheitsideologien. Leitend für menschliches Denken und Handeln seien „Naturgesetzlichkeiten“ und eine „natürliche Ordnung“. Zur Erklärung und Wertung menschlichen Verhaltens werden oft Vergleiche zur Tier- und Pflanzenwelt herangezogen, ungeachtet dessen, dass menschliches Handeln keinem Reiz-Reaktions-Schema unterliegt, sondern auf rationalen Entscheidungsmöglichkeiten basiert. Individuen, Menschengruppen und Geschlechtern werden darüber „natürliche“ und „unveränderliche“ Eigenschaften und Rollen zugeschrieben.
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Chauvinismus
Chauvinismus
Chauvinismus ist die Überzeugung von der Überlegenheit der eigenen Gruppe, aus der Ansprüche auf Vorherrschaft und Privilegien abgeleitet werden. Chauvinistisches Denken ist ein Überbau von Ungleichheitsideologien und erbringt in seiner Praxis einen überragenden Beitrag zur Hierarchisierung, Spaltung und Entsolidarisierung der Gesellschaft. Chauvinismus entstand Anfang des 19. Jahrhunderts zur Beschreibung eines exzessiven und aggressiven Nationalismus. Mit der Kritik am Patriarchat seitens der Frauenbewegung der 1970er Jahre und der Etablierung des Begriffes „male chauvinism“ (männlicher Chauvinismus) wurde der Begriff seiner Verwendung im Kontext mit Nationalismus entkoppelt. Später bildeten sich die Begriffe Wohlstandschauvinismus, Sozialchauvinismus (für Klassismus) oder religiöser Chauvinismus.
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Heterosexismus
Heterosexismus
Heterosexismus legt Heterosexualität als soziale Norm fest, ermöglicht so die Zugehörigkeit zu einem sicheren Identitätsangebot. Diese Norm dient zur Festlegung vermeintlich natürlicher Rollen, gegen die Schwule und Lesben, Bi- und Trans- und Intersexuelle in ihrem Verhalten und der Fortpflanzung verstoßen. Entsprechend wird jede nicht-heterosexuelle Form von Identität und Verhalten abgelehnt, stigmatisiert und diskriminiert. Schwule, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuelle werden hypersexualisiert und exotisiert. Bekannte Stereotype sind die Darstellung von Schwulen als weiblich und Lesben als „Mannweiber“. Im Nationalsozialismus wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“ geschaffen. Sexuell abweichende Menschen wurden als „Volksfeinde“ denunziert, sie waren Korrekturmaßnahmen unterworfen und der Verfolgung und Vernichtung ausgesetzt.
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Rassismus
Rassismus
Rassismus ist eine Ideologie, die Menschen aufgrund von Merkmalen wie Herkunft, Hautfarbe oder Sprache spezifische Eigenschaften zuschreibt und daraus die Behauptung ihrer Ungleichwertigkeit ableitet. Rassismus dient stets der Legitimation von Ausbeutung und der Sicherung von Herrschaft. Der biologisch argumentierende Rassismus geht von der Existenz von „Menschenrassen“ aus, was wissenschaftlich widerlegt ist. Rassismus, der im westeuropäischen Raum auftritt, ist stark von kolonialen Bildern und der Vorstellung westeuropäischer Überlegenheit geprägt. Zeitgemäße Formen des Rassismus vermeiden den Begriff von Rasse, setzen stattdessen kulturelle Kriterien als Unterscheidungsmerkmale und leiten daraus den Anspruch auf Überlegenheit und Vorrechte der eigenen Gruppe ab (kultureller Rassismus). Im Nationalsozialismus wurde die schon existierende „Rassenkunde“ mit den „Nürnberger Gesetzen“ zur Staatsdoktrin und legitimierte die Vernichtung von Jüd*innen, Sinti und Roma und „slawischen“ Menschen in Osteuropa.
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Sexismus
Sexismus
Sexismus bezeichnet Stereotype und Zuschreibungen, die Frauen abwerten. Seine extreme Ausformung ist Misogynie (Frauenhass). Durch Sexismus wird ein ungleicher sozialer Status zwischen den Geschlechtern hergestellt und aufrechterhalten. Männliche Dominanzkultur ist historisch und strukturell in den meisten Gesellschaften verankert. Gerechtfertigt wird diese mit dem Verweis auf angeblich natürliche (biologische, körperliche) Unterschiede der Geschlechter. Darauf basiert die Behauptung unterschiedlicher Fähigkeiten und die Zuweisung spezifischer Rollen. Frauen gelten als das „schwache“ und emotionale Geschlecht. Ihnen werden Fähigkeiten und Aufgaben der Zuhörerin, Vermittlerin und Fürsorgerin zuerkannt und zugewiesen. Dies drängt sie in den privaten Raum und legt ihnen öffentliche Zurückhaltung auf. Männer gelten als zupackend und rational in ihrem Denken und ihren Entscheidungen, was sie öffentlichen Raum und Machtpositionen beanspruchen lässt.
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Sozialchauvinismus (Klassismus)
Sozialchauvinismus (Klassismus)
Sozialchauvinismus bedeutet die Stereotypisierung und Abwertung von Menschen aufgrund ihrer sozial-ökonomisch schwächeren Position, beziehungsweise ihrer sozialen Herkunft und ihres Status', der „niedriger“ klassifiziert wird. Dies trifft gegenwärtig insbesondere Hartz4-Empfänger*innen und Wohnungslose, die als „Arbeitsfaule“, „Schmarotzer“ und „Last für die Allgemeinheit“ diskreditiert werden. Sozialchauvinismus spricht den Eliten und (angeblichen) Leistungsträger*innen mehr Vorrechte und Privilegien zu als denen, die als leistungsunwillig oder leistungsunfähig markiert werden. Letztere sollen weniger an sozialen Errungenschaften, beispielsweise an staatlicher Fürsorge, teilhaben. Im Nationalsozialismus war der Begriff „Asoziale“ die übliche Bezeichnung für Menschen aus sozialen Randgruppen: Wohnungslose, kinderreiche Familien aus sozialen Unterschichten und angeblich „Arbeitsscheue“. Sie wurden in Konzentrationslager deportiert, erlitten Zwangsarbeit und Zwangssterilisierungen.