Sexismus trifft zumeist Frauen und meint in diesen Fällen deren Abwertung und Ausschluss aufgrund ihres Geschlechts. Dies basiert auf dem Gedanken der Überlegenheit und Herrschaft von Männern (Patriarchat). Sexismus ist in rechten Lebenswelten omnipräsent, zeigt sich in der Oi-Musik oder im Gangster-Rap ebenso offen wie im Männerfußball und seinen Fankulturen. Er ist gesellschaftlich derart verbreitet und verankert, dass er meist nur in seinen brachialen Erscheinungsformen als problematisch angesehen wird. In vielen vorausgegangen Themeneinheiten, insbesondere im Artikel zu »Männerwelten«, sind Beispiele für Sexismus aufgeführt. Die nachfolgende Betrachtung versteht sich daher als eine Ergänzung, die Fußballszenen und den Frauenfußball fokussiert.
Sexismus unter Fußballfans zeigt sich unter anderem in einer hypermaskulinen Selbstinszenierung männlicher Fans, im Ausschluss von Frauen bzw. klassischer Weiblichkeit aus dem Bild des »echten Fans« sowie in Fangesängen, Beschimpfungen und Bildsprache. Die Ultras der Schickeria München schreiben:
»Das Bild vom männlichen Fußballfan ist tief verwurzelt und die Fans tun oftmals alles, um das Klischee vom sexistischen, saufenden und prolligen Fußballfan zu erfüllen. (...) Viele Männer nutzen den Fußball, um spätpubertäre Phantasien auszuleben und ein überholtes Männlichkeitsbild zu pflegen. (...) Frauen werden in dieser Welt höchstens als störende Anhängsel oder Sexobjekt (›zieh dich aus kleine Maus‹) akzeptiert.« 1
Offen frauenfeindliche Gesänge und Choreographien gehören ebenso zum Spielalltag wie Flyer und Publikationen männerdominierter Fangruppen, die Frauen aus den Kurven rauswünschen. Dem zu Grunde liegen eine Vorstellung des Fußballs als männliches Reservat und normative Bilder dessen, wie Männer und Frauen zu sein bzw. sich zu benehmen hätten. Frauen kommt oft die Rolle der passiven Begleiterin des aktiven männlichen Fußballfans zu. Dieses Klischee bricht sich am Alltag im Stadion, wo 20 bis 30 Prozent Mädchen und Frauen auf den Rängen vertreten sind. Die Anwesenheit aktiver Frauen steht jedoch nicht im Widerspruch zur sexistischen Abwertungs- und Beschimpfungskultur. So manche Mädchen und Frauen beteiligen sich an diesen Ausfällen. Zum Teil wollen sie sich darüber ihren »besonderen« Status sichern. Zumeist wird es jedoch von ihnen gar nicht als problematisch wahrgenommen, da es einfach dazugehören würde und sie sich nicht betroffen fühlen, da die Beschimpfungen stets den »Anderen« zugedacht werden. Manche, die sich daran immerhin stören, treten dem nicht entgegen, aus Angst davor, sich in der männlich dominierten Gemeinschaft der Fans als Kritikerinnen zu exponieren und aus dieser heraus zu fallen.
Der Spruch »Sexismus ist ein Fangesang«, gezeigt von Dresdner Fans 2011 beim Spiel gegen den SV Babelsberg 03, entstand als Abwandlung des Slogans »Rassismus ist kein Fangesang«, mit dem Dresdner Fans zuvor Stellung gegen Rassismus bezogen hatten. »Sexismus ist ein Fangesang« soll nichtrechte Fans in den »eigenen Reihen« und die als links angefeindeten Fans des SV Babelsberg 03 (Potsdam) gleichermaßen provozieren. Foto: Facebook
In einem Beitrag im Transparent-Magazin nennt Robert Claus zwei Beispiele für den sexistischen Blick auf Frauen und Frauenfußball von Trainern von Männerteams:
»So erklärte Dirk Schuster, Ex-Profi und Trainer des SV Darmstadt 98 im September 2014, den Spieler seines Teams mit den schlechtesten Trainingsleistungen zu bestrafen, indem er ihn zwinge, ein pinkfarbenes Shirt zu tragen. Dessen Brust war mit ›Fehleinkauf 0 Euro‹ bedruckt, den Rücken zierte die Aufschrift ›Tussi‹. Offenbar soll dies die Kicker der ›Lilien‹ motivieren, alles zu tun, um nicht den Weiblichkeitsschmähungen ihres Trainers zu erliegen, um nicht als ›weich‹, ›sensibel‹ oder ›mädchenhaft‹ zu gelten. Dies ist kein Einzelfall: Dietmar Hirsch, Trainer des Drittligisten SV Elversberg in der Saison 2013/2014, versuchte seine Mannen durch einen Vergleich des Tores mit Spielerfrauen anzuspornen: ›Da gucke ich, dass ich an die Freundin vom Gegner rankomme. Aber da hinten ist es so, da ist meine Freundin im Tor – oder das Tor ist meine Freundin – und da soll kein Ding rein.‹« 2
Im Themenfeld Frauenfußball lässt sich trotz – oder gerade wegen – der Fokussierung auf weibliche Akteurinnen Sexismus feststellen. Allein der Zusatz »Frauen« vor »Fußball« markiert die Andersartigkeit des Frauenfußball zum normativen bzw. normalen Fußball, unter dem stets Männerfußball verstanden wird. Frauenfußball funktioniert nach exakt denselben Regeln, jedoch meist mit weniger Tempo und Härte. Verbreitet ist dennoch die Ansicht, Frauen könnten nicht »richtig« Fußball spielen, was klar macht: Die männliche Ausführung des Sport setzt die Norm und entscheidet darüber, was richtig und falsch sei. Vergleiche mit dem Frauenfußball werden innerhalb des Männerfußballs zur Kennzeichnung schlechter Leistungen oder unangemessenen Verhaltens angeführt: »Das ist ja wie Frauenfußball«, »Sei doch kein Mädchen« sind gängige Beschimpfungen auch im eigenen Team. Selbst gönnerhafte Bewertungen wie »gar nicht schlecht für eine Frau« verdeutlichen die Festlegung auf den Männerfußball als sportliches Qualitätsmerkmal.
Frauenhass und Gewaltfantasien gegen Frauen: HoGeSa-Anhänger aus Mannheim auf einer Party 2014. Foto: Facebook
Mit der Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland erhielt Frauenfußball einen Popularitätsschub. Viele Medien bedienten dabei die vor allem männliche Schaulust auf die Spielerinnen und das offenkundige Verlangen nach »echten Frauen« im Nationalteam. Einige deutsche Nationalspielerinnen folgten dem und setzten sich für den Playboy feminin und sexy ins Bild. Ihre Inszenierung diente dem Zweck, eine eindeutig heterosexuelle Weiblichkeit herzustellen und mit den (abwertenden) herrschenden Klischees der Fußball-Leistungssportlerinnen als burschikos, »Mannsweiber« und Lesben zu brechen. Die Soziologin Nina Degele erkennt darin, dass mit der Popularisierung des Frauenfußballs eine Verschärfung von Weiblichkeitszwängen verbunden sei. Frauenfußball erfahre, so Degele »eine doppeldeutige Anerkennung, um nicht zu sagen, es ist eine Verarsche.« 3
1 Vom 12. Mann und warum der auch eine Frau sein kann, Schickeria München, 15.02.2010, http://gds.blogsport.de/2010/02/
2 Robert Claus, Elf Männer sollt ihr sein, in: Transparent Magazin, Nr. 15, Dezember 2014
3 in: Schwule Mädchen, taz vom 27.01.2014, www.taz.de/!5050234/