Grauzonen - Rechte jugendliche Lebenswelten

Ausblick

Die Band Frei.Wild, die vielfach als Beispiel herangezogen wurde, ist – um dies nochmals zu beton­en – eine der derzeit erfolgreichsten Rockgruppen im deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2013 stand sie an der Spitze der deutschen Albumcharts, keine Band machte in dieser Zeit mehr Umsatz. Dies zeigt: Die rechten Lebenswelten in der Pop- und Rockmusik, für die Frei.Wild exemplarisch steht, existieren nicht nur in jugendkulturellen Nischen, sondern im Mainstream. Sie sind keineswegs nur Ausdruck der Trotzigkeit von Teenagern, sondern erreichen auch viele Menschen, die die Kontrolle über ihr Leben weitgehend erreicht haben. Frei.Wild und andere Künst­ler*innen erfahren vielfach Zuspruch nicht trotz ihres exklusiven Heimatbildes oder ihres reaktionären Machismus, sondern gerade deswegen. Dies muss ernst genommen werden.

Die Erfolge und Akzeptanz, die diese Bands und Künstler*in­nen ­erfahren, sind Symptome einer Gesellschaft, die zunehmend in Teilgruppen zerfällt. Sie sind vielfach – das zeigt vor allem der Blick in den rechten Deutschrock – nicht die Rebellion derer »von ­unten«, die um Selbstbehauptung kämpfen, sondern es ist das Aufbegehren derer, die um ihre Pri­vilegien (als Männer, Deutsche, »Angestammte« etc.) fürchten und sich gegenüber denen in Stellung bringen, die als »anders« und als Konkurrenz angesehen werden.

Die antifaschistische Arbeit steht vor großen Herausforderungen. Sie muss über die rechten ­Lebenswelten aufklären und die Auftritte ihrer Protagonis­t*innen immer wieder in Frage stellen. Sie muss die Menschen mobilisieren und organisieren, die sich für eine egalitäre Gesellschaft einsetzen, und sie muss von denen, die sich unter das Label »Gegen Rechts« stellen, eine klare Haltung einfordern. Sie muss aber auch berücksichtigen, dass viele Personen, die sich in rechten Lebenswelten bewegen, eben nicht neonazistisch sind und sich durchaus ehrlich von extremen Rechten abgrenzen. Vielen sind der politische Gehalt und die gesellschaftlichen Konsequenzen, von dem, was sie hören und »gefühlt« für gut befinden, nur unzureichend bewusst. Bei ­ihnen muss die Bildungsarbeit ansetzen. Das Problem misst sich jedoch nicht nur in den rechten Inhalten, die dort vertreten oder verharmlost werden, sondern auch darin, dass viele Menschen, die sich in diesen rechten Lebenswelten befinden, die absolute Wahrheit für sich beanspruchen, ihre Positionen für unverhandelbar erklären, sich jeder kritischen Auseinandersetzung und politischen Verantwortung entziehen. Die Herausforderung besteht insbesondere darin, Mittel und Wege zu finden, um diese Menschen zu erreichen. Wir müssen klar machen, dass es zum »ganz normalen« ­gesellschaftlichen Aushand­lungs­pro­zess gehört, sich zuzuhören, ernst zu nehmen und zu kritisieren. Und dass es dazu keine Alternative gibt, zumindest keine, die den Namen »demokratische Gesellschaft« verdient.

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